Ich arbeite eine Woche im Monat im Waisenhaus. Dort ist es unsere Aufgabe die Kinder in einem kleinen Bus auf der Fahrt zu ihren Aktivitäten oder der Schule zu begleiten. Insgesamt finde ich diese Aufgabe manchmal etwas eintönig. Allerdings kommt man in dieser Woche viel mit den Waisenkindern in Kontakt und mir ist bewusst, dass die Kinder ohne uns nicht zu ihren Aktivitäten gebracht werden könnten. Außerdem ist diese Eintönigkeit manchmal auch erholsam, da sich die Arbeit im Waisenhaus auf die eine Woche im Monat beschränkt. Da wir mit den Kindern und Jugendlichen zusammenleben, bekommen wir viel von ihrem Alltag und ihren Problemen mit. Je länger wir hier leben, desto mehr sehen wir auch, wie schwierig es die Mädchen haben und was sie schon alles erleben mussten. Ich bin froh im Waisenhaus arbeiten und leben zu dürfen. Oft helfen wir den Mädchen mit einem kleinen Gespräch beim Essen oder einer Umarmung.
Die anderen drei Woche im Monat arbeite ich im Agios Andreas. Agios Andreas ist ein Heim für 27 stark behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Im Agios Andreas arbeiten wir von Dienstag bis Samstag. An den Werktagen holen wir die vier Kinder, die zur Schule gehen, mit dem Bus ab und begleiten sie in das Heim. Auf der Fahrt singen wir oft zusammen griechische Kinderlieder oder sind begeistert vom Meer, an dem wir jeden Tag vorbeifahren. Dort angekommen, geben wir drei von ihnen das Essen. Sie können schon gut alleine essen, aber wenn das Essen mal nicht schmeckt oder der sehr gut gefüllte Löffel nicht in den kleinen Mund passt, helfen wir. Dann sind wir bis zum Abendessen für die Beschäftigung vieler Heimbewohner zuständig. Mit den meisten gehen wir raus, machen Spaziergänge durch den Wald, gehen schaukeln, sitzen in der Sonne oder üben laufen. Mit den Kindern werfen wir Bälle, üben Dreiradfahren oder Balancieren, schaukeln oder graben in der Erde. Auf die Initiative von uns Freiwilligen ist seit einigen Wochen dann Zähneputzzeit für die Kleinen. Wir üben gerade mit ihnen Zähne zu putzen. Bei einem Mädchen klappt es schon sehr gut, einem anderen Mädchen schmeckt die Zahncreme so gut, so dass es diese die ganze Zeit ablecken will und ein Junge will seinen Mund nicht aufmachen, weil er schon Karies hat. Es macht sehr viel Spaß das gemeinsam zu üben. Dann ist es Zeit für das Abendessen. Nachmittags und abends sind die Pfleger nur zu zweit und wir unterstützen sie beim Essen geben. Hierbei kommen wir mit fast allen Heimbewohnern in Kontakt, auch mit denen, die auf Grund ihrer Behinderung im Bett liegen müssen. Bei manchen ist es einfacher als bei anderen. Inzwischen kennen wir aber alle gut und wissen, wie wir das Essen schmackhaft machen können und auch die Kleinen unterstützen wir wieder beim Essen. Insgesamt fühle ich mich sehr wohl im Agios Andreas. Ich habe das Gefühl, dass ich hier sehr viel bewirken kann und wirklich gebraucht werde. Auch die Kinder und Erwachsenen habe ich sehr ins Herz geschlossen. Es steht nicht mehr die Behinderung im Vordergrund, sondern die verschiedenen Persönlichkeiten und ausgeprägten Charaktere.
Ich sehe in beiden meinen Einsatzstellen, dass es Menschen gibt, die unter sehr viel einfacheren Bedingungen leben müssen als wir dies in Deutschland tun. Die meisten Waisenkinder müssen ohne Eltern aufwachsen. Ihnen fehlt es nicht an materiellen Dingen, aber an ausreichender Unterstützung durch ihre Familien. Auch die Bewohner des Behindertenheims werden wenig gefördert und sind oft den ganzen Tag in ihrem Zimmer, da es den Pflegern an Zeit für deren Beschäftigung fehlt. Ich erfahre hier, dass nicht alle Kinder so behütet aufwachsen wie ich. Anfangs taten mir die Kinder und behinderten Menschen leid. Inzwischen will ich in diesem Jahr, in dem ich hier bin, das Leben dieser Kinder ein kleines bisschen besser machen.
In meiner Freizeit mache ich ganz unterschiedliche Dinge. Unter der Woche gehe ich morgens gerne auf den Markt, schwimme in den wärmeren Monaten im Meer, mache Spaziergänge am Strand, gehe mit den anderen Freiwilligen Kaffee trinken oder in der Stadt bummeln. Abends gehe ich ein- bis zweimal die Woche Beachvolleyballspielen und in einer griechischen Taverne essen. Oft erkunden wir am Wochenende die Insel. Wir haben schon wunderschöne Wanderungen durch die tolle Natur gemacht und dabei Granatäpfel, Feigen und Orangen am Wegrand gepflückt. Man kann auch super von Rhodos aus mit der Fähre auf andere Inseln fahren. Wir haben einen Wochenendausflug nach Symi gemacht und dort die Insel erkundet. Auch nach Athen gibt es gute Flugverbindungen, so dass wir auch dort hinreisen können. Ich bin begeistert von der Insel und dem guten Wetter.
In den letzten vier Monaten hatte ich das Gefühl, dass immer jemand da war, mit dem man über Probleme, Ideen oder Wünsche reden konnte. Im Agios Andreas gestaltet sich die Zusammenarbeit mit unserer Ansprechperson sehr gut. Außerhalb der Einrichtungen in denen wir arbeiten haben wir noch die deutsche Gemeinde, an die wir uns immer wenden können und die uns in vielerlei Hinsicht unterstützen. Wir treffen uns regelmäßig zum Kochen mit dem Pfarrersehepaar und einer kleinen Gruppe Gemeindemitglieder. Diese sind auch im Agios Andreas als Freiwillige tätig und deshalb können wir uns sehr gut über Erfahrungen und Erlebnisse mit ihnen austauschen. Auch beim Triti-Treff, einem wöchentlichen Frühstückstreff, sind wir immer herzlich willkommen. Sehr intensiv werden wir von Claudia, einer Psychologin aus der deutschen Gemeinde, betreut. Jeden Montag treffen wir uns mit ihr. Bei diesen Treffen reden wir zum einen darüber, wie es uns geht. Auch mit dem Kontakt mit dem DJiA bin ich sehr zufrieden. Ein kleiner Adventskalender oder eine E-Mail, in der ich gefragt werde, wie es mir geht, zeigt, dass jemand in Deutschland an mich denkt und sicherlich auch bei Schwierigkeiten erreichbar wäre.
Als ich vor gut vier Monaten nach Rhodos kam, waren es meine Ziele die Kultur, die Sprache und das Land kennenzulernen, aber vor allem hatte ich mir vorgenommen Menschen, die es im Leben nicht so gut hatten wie ich, zu helfen. Vor allem anfangs hatte ich kleinere Schwierigkeiten. Ich konnte mir nicht vorstellen mir zehn Monate ein Zimmer zu teilen oder nicht jeden Tag warm duschen zu können. Aber ich habe ziemlich früh gemerkt, dass das eigentlich überhaupt kein Problem ist. Ich habe mich schnell an diese Dinge gewöhnt.
Ich habe auch gelernt, dass die behinderten Menschen sich nicht zu verstellen und wirklich zu zeigen, wie es ihnen geht. Mein Ziel für den Rest meines Freiwilligendienstes ist es die Kinder im Agios Andreas noch mehr zu fördern und einfach die Zeit mit ihnen gemeinsam zu genießen. Im Waisenhaus will ich weiterhin für die Mädchen da sein und immer ein offenes Ohr haben. Persönlich ist es mir wichtig mich noch besser kennen zu lernen, zu schauen, was mir wirklich wichtig ist, und meinen Studienwunsch zu präzisieren.
Ich habe in den letzten vier Monaten schon viel über mich gelernt, die Insel Rhodos genossen und vor allem habe ich das Gefühl, dass ich in meinen Einsatzstellen wirklich gebraucht werde. Ich bin sehr dankbar und glücklich über den Verlauf meines bisherigen evangelischen Freiwilligendienstes und freue mich darauf, was noch kommt.
Eure Laura
Evangelische Freiwilligendienste gGmbH
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