Ganz am Anfang stand natürlich die Entscheidung zum diakonischen Jahr im Ausland. Dass ich einen Freiwilligendienst im Ausland machen möchte, war mir schon länger klar, dass es in Polen sein wird, erst kurze Zeit vor dem Start. Als ich die evangelischen Freiwilligendienste als Entsendeorganisation entdeckt hatte, kam der Vorschlag zu der Stelle in der Diakonie Polen in Warschau. Meine erste Reaktion war etwas verhalten. Polen? Darüber hatte ich vorher noch nicht nachgedacht. Die Vorstellung, mal in einer Großstadt zu leben gefiel mir aber sehr gut.
Drei Tage in der Woche unterstütze ich im Büro. Die Aufgaben sind unterschiedlich: Übersetzungen vom Englischen, einen Artikel schreiben, zur Post gehen. Die Arbeitszeiten sind wirklich entspannt, ich habe viel Zeit zu kochen, die Stadt anzuschauen und etwas mit Mitbewohnern zu unternehmen. Die Arbeit im Büro ist für mich zwar etwas anders als für die fest angestellten, gibt mir aber doch eine Vorstellung, wie solch eine Arbeit aussieht. Für mich gibt es jeden Tag andere Aufgaben, je nachdem, wobei die Chefin gerade Hilfe braucht. Das sind manchmal sehr viele und manchmal fast keine Aufgaben. Besonders in der Zeit vor Weihnachten war sehr viel zu tun. Die Stimmung ist aber immer freundlich und es verstehen sich alle gut. Anna und ich mögen beide die Leute im Büro sehr gerne, sie sind immer zu Hilfe bereit und sorgen sich lieb um uns.
Auch der Einblick in das Altenheim ist wertvoll, wo ich einmal die Woche arbeite, da ich vorher nicht wusste, wie es dort so zugeht. Ich besuche dort Leute und unterhalte mich mit Ihnen, so gut es mein Polnisch zulässt oder höre manchmal einfach zu und spiele Spiele mit ihnen. Einige Leute dort sprechen sogar gut Deutsch.
Ansonsten helfe ich in der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde, zum Beispiel bei den Kindergottesdiensten. Ich spiele dort mit den Kindern, bereite Tee vor. Ich komme mittlerweile immer besser zurecht. Am Anfang wusste ich oft nicht, wie ich reagieren soll, wenn ein Kind mich anspricht und ich nichts verstehe. Die meisten Kinder können nicht verstehen, dass ich noch nicht gut polnisch spreche. Einige hatten auch erst etwas Angst, weil ich nicht mit ihnen reden kann. Da in der Gruppe immer noch ein oder zwei andere Freiwillige helfen und einige Eltern dabei sind, habe ich nicht immer etwas zu tun. Ich habe aber vor, bald für die älteren Kinder eine Art Deutsch-Stunde anzubieten.
Mir gefällt das Gemeindeleben in der „Święty Trojca“ hier sehr gut. Es gibt viele Veranstaltungen und man trifft immer jemanden. Dies liegt allerdings auch daran, dass die Gemeinde so klein ist! Jeder ist irgendwie mit jedem bekannt. Wenn man bedenkt, wie wenig Menschen in Polen nur evangelisch sind (es sind nur 0,3 %!!) und wie wenige evangelisch-lutherisch, ist das natürlich kein Wunder.
Letzten Samstag haben Anna und ich auf dem Friedhof geholfen, alte Gräber aufzuräumen. Das ist eine Tradition in der Gemeinde, dass in der Zeit vor Allerheiligen der Friedhof schöner gestaltet wird. Trotz der Kälte hat es sehr Spaß gemacht, weil wir viele Leute getroffen haben.
Neben der Arbeit habe ich viel Zeit zusammen mit Anna Warschau zu erkunden. Es gibt spannende Museen, zum Beispiel über den Warschauer Aufstand oder über die Geschichte der Juden in Warschau, sowie interessante Stadtteile, zum Beispiel Wilanów mit dem Palast und wunderschönen Garten. Auch Praga war spannend zu besuchen. Der Stadtteil auf der anderen Weichselseite unterscheidet sich sehr von anderen Teilen, da er nicht so sehr zerstört war nach dem Krieg. Viele alte Gebäude, kleine und große Basare und fast keine Touristen, aber auch viele heruntergekommene Häuser.
Mir gefällt besonders der Łazienki-Park, den wir bei schönstem Frühlingswetter besucht haben.
Eine tolle Möglichkeit ist es, dass das Reisen in Polen so günstig ist. Bisher bin ich zwar noch nicht viel herumgekommen, da es in Warschau auch so viel zu sehen gibt, aber ich hatte schon ein schönes Wochenende in Krakau, wo wir bei einer Freiwilligen wohnen konnten. Uns wurde nicht zu viel versprochen- die Stadt ist wirklich schön!
Eine sehr besondere Erfahrung, die ich mit nach Hause nehmen werde, ist, zu allen möglichen Arten von Einladungen zuzusagen, ohne überhaupt zu wissen, was mich erwartet. Polnische Menschen sind sehr gastfreundlich, das habe ich besonders in der Gemeinde erlebt. Es gibt viele verschiedene Veranstaltungen, bei denen ich eingeladen war oder mitgeholfen habe. Nicht selten wurde ich plötzlich aufgefordert, mich doch mal vor allen auf Polnisch vorzustellen. Das hat mich am Anfang etwas nervös gemacht, aber egal wie brüchig die Sprachkenntnisse sind, man wird immer danach dafür gelobt. Solch ein Lob motiviert immer und es wird damit gespart.
Eine weitere wichtige Erfahrung ist es, sich als Ausländer zu fühlen. Ich kann jetzt etwas besser verstehen, wie sich Ausländer in Deutschland fühlen. Durch das Sprach-Problem ist man immer eingeschränkt und auf Hilfe angewiesen. Selbst Dinge, die im Heimatland leicht zu erledigen sind, fallen jetzt furchtbar schwer und man merkt oft, dass man von der Person einem gegenüber nicht ganz ernst genommen wird. Durch fehlende Sprachkenntnisse wird ein Mensch gleich anders angesehen, sogar als etwas dumm eingestuft. Viele Personen sprechen einfach nur lauter, wenn sie merken, dass man sie nicht versteht. Ich denke aus solchen Erfahrungen lernt man auch, anders mit Ausländern im Heimatland umzugehen.
Das Polnisch-Lernen geht für mich zwar viel zu langsam voran, es macht mir aber immer mehr Spaß, da ich immer mehr verstehe. Neue Erkenntnisse und Erfolgserlebnisse motivieren immer wieder und die Polen sparen nicht mit Lob für die Bemühungen. Viele wissen selber, wie schwer polnisch zu lernen ist, deshalb höre ich oft die Frage: „Und, wie geht es mit dem Polnischen? Es ist schwer oder?“. Viele geben sich wirklich Mühe, die Sätze zu erklären und langsam zu sprechen. Mir gefällt die polnische Sprache und es ist total schön immer mehr verstehen und sprechen zu können. Als ich das erste Mal im Supermarkt etwas gefragt wurde und es verstanden habe, war ich ganz stolz!
Viele Menschen hier sprechen deutsch, weshalb ich auch oft deutsch spreche. Im Studentenwohnheim, im Gottesdienst oder beim Spiele-Abend ist man aber immer von Polnisch umgeben. Ich habe auch die Möglichkeit mit einem Tandem-Partner zu üben, der deutsch lernt.
Ich konnte mich wirklich nur langsam in die Sprache hineinfinden. In der Aussprache, dem Wortschatz und der Grammatik konnte ich zunächst keinerlei Ähnlichkeiten zu mir bekannten Sprachen finden, denn Polnisch ist die erste slawische Sprache, die ich lerne. Vor allem die sieben Fälle in der Sprache, in der sogar die Eigennamen dekliniert werden, schrecken zunächst ab.
Mein Fazit nach vier Monaten ist: Ein DJiA lohnt sich und vor allem in Polen! Viele Menschen kennenlernen, Erfahrungen machen, die man sonst nie machen würde, mit der Sprache kämpfen und dann merken, dass es immer leichter geht, auf andere Einstellungen und Haltungen treffen und vor allem Polen kennenlernen und ein zweites Zuhause finden.
Eure Paula
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